Autismus ist eine Reiz- und Wahrnehmungsverarbeitungsstörung, die massive Auswirkungen auf das Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Handeln der betroffenen Person aber auch auf das soziale Verhalten mit der unmittelbaren Umwelt hat. Menschen im Autismus-Spektrum sind in unserer Gesellschaft besonderen Herausforderungen ausgesetzt.
Besondere Wahrnehmung
Menschen im Autismus-Spektrum nehmen ihre Umwelt oft deutlich anders wahr als Menschen ohne Autismus. Ihre Wahrnehmung für Details ist oft erhöht. Zugleich fällt es ihnen schwer, sich einen Überblick zu verschaffen und den Kontext zu erkennen. Sie können beispielsweise den einzelnen Baum sehen aber den Wald, als das große Ganze, können sie nicht erkennen.
Das Unterscheiden und Filtern von wichtigen und unwichtigen Informationen (Reizen bzw. Wahrnehmungen) geschieht häufig nicht automatisch und muss von den Betroffenen bewusst durchgeführt werden. Dies ist eng verbunden mit einer Reizempfindlichkeit.
Reizempfindlichkeit
Menschen mit Autismus nehmen ihre Umwelt häufig weitgehend ungefiltert wahr. Alle Reize werden mit allen Sinnen zur gleichen Zeit in gleicher Intensität aufgenommen. Dies kann schnell zu einer Reizüberflutung führen. So mit Eindrücken auf allen Sinnesebenen überladen, kann das einen völligen Rückzug (sogenannter Shut-Down bis hin zu Mutismus) oder fremd-/autoaggressives Verhalten (sogenannter Melt-Down) zur Folge haben kann. Die Reizempfindlichkeit kann in den verschiedenen Sinneskanälen unterschiedlich stark oder schwach ausgeprägt sein. Eine Filterschwäche besteht in allen Kanälen.
Exekutivfunktionen
Die Exekutivfunktionen betreffen die Handlungsfähigkeit und Handlungsplanung im Lebensalltag. Für Menschen ohne Autismus laufen diese Prozesse in der Regel automatisch und unbewusst ab. Die Fähigkeit, eine Aufgabe zu strukturieren, zu planen, zu beginnen, fortzusetzen und zu beenden, ist bei Menschen im Autismus-Spektrum häufig eingeschränkt. Dieser Bereich ist vergleichbar mit dem Erlernen des Autofahrens. Zum Autofahren müssen alle Sinne und Handlungsabläufe zunächst sehr bewusst eingesetzt werden, um die komplexen Abläufe in der richtigen Reihenfolge ausführen zu können. Mit viel Übung werden diese Abläufe automatisiert und wir müssen uns nicht mehr darauf bewusst konzentrieren, die einzelnen Schritte umzusetzen. Menschen im Autismus-Spektrum müssen alle komplexen Handlungsabläufe im Alltag lange regelgeleitet, angeleitet und wiederholt üben, bevor sie sich bei ihnen automatisieren können.
Motorische Fähigkeiten
Die Fein- und/oder Grobmotorik kann eingeschränkt sein. Manche Menschen mit Autismus berichten davon, dass sie ihrem Körper den Befehl geben etwas Bestimmtes zu tun, dieser Befehl aber nicht im entsprechenden Körperteil ankommt. Auch hier zeigt sich oft eine Unterempfindlichkeit in der Körperwahrnehmung. So spüren manche Menschen im Autismus-Spektrum ihre einzelnen Gliedmaßen nicht als zu ihrem Körper dazugehörig und können sie dadurch nur schwer direkt ansteuern und kontrollieren. Ebenso gut könnte die Person keine dosierte Kraft für die Stifthaltung in den Fingern aufbauen können. Sein ganzer Körper kann zugleich aber in größter Anspannung sein.
Sprache
Die verbale Sprache kann eingeschränkt, so gut wie nicht vorhanden, oder ungewöhnlich entwickelt sein. Wenn sie voll entwickelt ist, wird sie oft wortwörtlich genutzt und verstanden. Ebenso kann die nonverbale Sprache reduzierter ausgeprägt sein oder Körpersprache zum Teil anders genutzt werden, als Menschen ohne Autismus sie deuten würden. Für die sozialen Bezüge der verbalen und nonverbalen Sprache sind Menschen im Autismus häufig blind. Ein subtiler Subtext, der vornehmlich in der Betonung von Sprache, in Mimik und Gestik steckt, lässt sich im Autismus in der Regel nicht wahrnehmen, deuten und verstehen. Bspw. werden Sprichwöter wörtlich verstanden: "Heute bist du wohl völlig neben der Spur."
Menschen ohne Autismus lernen automatisch die soziale Sprache in der sie aufwachsen. Das passiert von Geburt an ganz unbewusst von selbst. Der soziale Kontext in der Sprache muss von Menschen im Autismus-Spektrum wie ein Vokabeltraining bewusst erlernt und auswendig gelernt werden, bevor dieses komplexe Feld überhaubt selbst angewendet werden kann. Das ist ein Training, das in der Regel ein Leben lang andauert.
Sozialverhalten
Wie schon oben beschrieben, können Menschen im Autismus-Spektrum eine sogenannte soziale Blindheit haben. Das heißt, sie kommunizieren auf andere Weise und gehen Beziehungen anders ein als Menschen ohne Autismus. Sie können sich häufig sehr an Dingen und Gegenständen erfreuen und zum unbelebten Umfeld eine enge Bindung aufbauen, weil diese mit Permanenz und Kontinuität verbunden ist. So kann z.B. ein Kind im Autismus Spektrum ganz fixiert sein auf einen Kleiderbügel, ohne den es nicht aus dem Haus gehen will. Dieser Kleiderbügel ist gleichzusetzen mit einem Lieblingskuscheltier kleiner Kinder ohne Autismus, das ihnen Sicherheit, Geborgenheit und Vetrauen gibt.
Beziehungen und Kontakte zu Menschen sind häufig erschwert aufzubauen, weil Betroffene Schwierigkeiten haben, Gesten, Sprache und Mimik nach den unausgesprochenen gesellschaftlich geltenden Normen und soziokulturellen Regeln zu verstehen. Andersherum fällt es Menschen ohne Autismus schwer, deren Besonderheiten zu akzeptieren und sich auf sie einzustellen.
Unterstützung in Kita, Schule und Familie
Unsere HFF-Helfer:innen nehmen sich den Besonderheiten der Kinder im Autismus-Spektrum an und vermitteln mit viel Empathie und Fürsorge zwischen ihnen und dem unmittelbaren Umfeld. Zugleich unterstützen die HFF-Helfer:innen diese Kinder, eine Sprache, Kommunikation und ein Lernverhalten aufzubauen, dass sie kleinschrittig und regelgeleitet mit ihrem Umfeld zunehmend selbstständig kommunizieren lässt. Ebenso werden die Familien beraten sowie die Einrichtungen, in denen die HFF-Helfer:innen eingesetzt sind.
* Gender-Sprache: In allen Texten meinen wir alle Geschlechter, auch dann, wenn nur eines genannt ist.